Interview: Eva Geiger kümmert sich seit 15 Jahren um Herzenswünsche kleiner Patienten
von unserer ehrenamtlichen Mitarbeiterin Agnes Schulze
„Man braucht diese guten Momente“
Seit 15 Jahren ist Eva Geiger Wunschfee bei der Deutschen Leukämie-Forschungs-Hilfe -Aktion für krebskranke Kinder- Ortsverband Mannheim e.V. Ein bis zwei Mal wöchentlich schaut sie auf der Kinderkrebsstation des Uni-Klinikums in der Quadratestadt vorbei, um die dortige Wunschbox zu leeren. Darin finden sich Herzenswünsche der kleinen Patienten und ihrer Geschwister – vom kuscheligen Schlafanzug bis zum Tandem-Fallschirmsprung. Sobald sie die Box geleert hat, geht die Arbeit für die ehrenamtliche Helferin erst richtig los. |
Frau Geiger, Sie erfüllen krebskranken Kindern Herzenswünsche. Wenn Sie selbst einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Eva Geiger: Das Allheilmittel gegen Krebs, das uns alle überflüssig macht. Aber da es das bislang noch nicht gibt, muss man sich immer wieder bewusst machen, wie privilegiert man ist. Und das ist es auch, was mich antreibt. Deshalb habe ich vor 18 Jahren auch damit begonnen, im Verein mitzuarbeiten. Um etwas zurück zu geben.
Wie wurden Sie zur Wunschfee?
Geiger: In meiner Anfangszeit im Verein habe ich alles Mögliche gemacht: Infostände betreut, Öffentlichkeitsarbeit, Formalitäten mit Krankenkassen geklärt. Ich habe mit angepackt, wo gerade Hilfe gebraucht wurde. Irgendwann hat mich der langjährige Vorsitzende und Gründer des Elternhilfevereins, Herr Stachniss, angerufen und mir von seiner Idee erzählt, eine Wunschbox auf der Station aufzustellen. Da habe ich ganz unbedarft einfach „Ja“ gesagt. Ohne mir eine genaue Vorstellung davon zu machen, was es heißen würde, die Wunschbox zu betreuen.
Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Geiger: Zunächst einmal bin ich ein bis zwei Mal in der Woche auf der Station, bringe den Kindern die gewünschten Geschenke und erzähle den neuen Kindern und ihren Familien von der Wunschbox. Davon, dass sie sich etwas wünschen können, ganz egal was. Ich sage ihnen, dass es im Grunde keine Beschränkung gibt, aber dass die Wunscherfüllung von Spenden abhängig ist und davon, ob er sich in der Praxis realisieren lässt. Ich sage ihnen aber auch, dass wir bislang nur einen Wunsch in 15 Jahren nicht erfüllen konnten.
Welchen?
Geiger: Ein Treffen mit dem Schauspieler Orlando Bloom. Andere Dinge, auch große, haben wir aber hinbekommen. Ein Meet & Greet mit Kevin Costner, eine Solo-Shopping-Tour jenseits der normalen Öffnungszeiten, eine Maniküre am Krankenbett oder ein Besuch im Disneyland Paris zum Beispiel. Um die kleinen, größeren oder ausgefalleneren Wünsche zu erfüllen, bedarf es zweier Dinge: Ich bin täglich zwei bis drei Stunden mit der Organisation und Recherchearbeiten beschäftigt. Außerdem ist ein großes Netzwerk an Spendern entstanden, Privatpersonen und Firmen, die die Kosten für die Wünsche übernehmen. Darunter sind viele Wiederholungsspender und wir sind sehr dankbar, dass es diese Menschen gibt.
An einigen Wünschen arbeiten Sie sich wochenlang ab. Wie viel Nähe entsteht da zu den Kindern und ihren Familien?
Geiger: Zu den Kindern und Familien auf der Station entstehen ganz unterschiedliche Beziehungen. Einige blocken den Kontakt anfangs ab, möchten keine „Almosen“ annehmen oder sind viel zu sehr mit dieser schwierigen Lebenssituation beschäftigt, was natürlich völlig nachvollziehbar ist. Zu vielen anderen entwickelt sich aber ein enges Verhältnis. Insbesondere auch in Zeiten, in denen es den Kindern schlechter geht.
Nimmt man diese Schicksale mit nach Hause?
Geiger: Immer.
Wie hält man das als Mensch aus?
Geiger: Manchmal gar nicht. Es trifft mich immer noch, nach so vielen Jahren. Ich dachte, mit der Zeit könnte man es besser verkraften, das ist leider nicht der Fall. Aber das gehört auch dazu. Man muss immer versuchen, sich zu motivieren, weiter zu machen, trotz allem positiv zu bleiben.
Wie machen Sie das?
Geiger: Es gibt ein Ritual auf der Station: Wenn ein Kind seine Akuttherapie beendet hat, darf es an einer großen Glocke klingeln. Dieses Klingeln ist auch für die anderen Kinder ein starkes Symbol fürs Weitermachen. Und dann unsere Sommerfeste, auf denen man die gesunden Kinder wieder trifft. Manchmal erkenne ich sie nicht, weil sie wieder zugenommen haben und so gesund aussehen. Sie haben wieder Haare. Sie können endlich wieder Kind sein. Man braucht diese guten Momente.
Und die helfen über schwere Zeiten?
Geiger: Diese Momente und das Bewusstsein, dass man den Kindern und Eltern noch etwas Gutes mit auf den Weg gegeben hat. Dass man ihnen diesen für sie wichtigen Wunsch noch erfüllen konnte. Man entwickelt sich dabei selbst immer weiter.
Inwiefern?
Geiger: Ich bin eigentlich eher introvertiert, zurückhaltend. Das habe ich in meiner Funktion komplett abgelegt. Gleichzeitig wird man innerlich ruhiger, dankbarer für ganz alltägliche Dinge. Wenn ich mich über irgendeinen Kleinkram aufrege, halte ich öfter inne und sage mir, wie froh andere Menschen wären, wenn sie nur diese Sorgen hätten. Die Tätigkeit erdet sehr.
Zur Person:
Eva Geiger ist 60 Jahre alt, verheiratet und hat einen Sohn. Sie unterstützt die Deutsche Leukämie-Forschungs-Hilfe in Mannheim seit 18 Jahren ehrenamtlich, seit 15 Jahren erfüllt die gelernte Bankkauffrau die Wünsche von krebskranken Kindern und ihren Geschwistern – etwa 100 pro Jahr. Mit ihrem Mann Robert Geiger ist sie außerdem mit dem Info-Stand der Leukämie-Forschungs-Hilfe in der Region unterwegs, um die Arbeit des Vereins noch bekannter zu machen.